Wenn ein gelegentliches Dankeschön durch Stillschweigen zum Rechtsanspruch wird
Wertschätzung und Anerkennung sind das A und O für die Mitarbeitenden. Sie fördern das gute Arbeitsklima und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, wie Studien belegen. Erfolgt die Wertschätzung durch ein finanzielles Dankeschön, sollten gewisse Punkte berücksichtigt werden. Von Tanja Rüfenacht
Die Wertschätzung
Wertschätzung gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass es das A und O eines guten Arbeitsklimas und der Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist. Dies kann zum Beispiel in Form von lobenden Worten oder mit einer Anerkennung in finanzieller Form sein. Mit welchen Konsequenzen müssen Arbeitgebende rechnen, wenn ein finanzielles Dankeschön regelmässig ohne Vorbehalt ausbezahlt wird?
Finanzielles Dankeschön
Eine von vielen Möglichkeiten, den Mitarbeitenden Danke zu sagen, ist eine finanzielle Sondervergütung. Diese kann in Form einer Sondervergütung, Bonus- oder Gratifikationsauszahlung erfolgen oder mit einer Anreizfunktion durch einen Anteil am Geschäftsergebnis. Welche Regelungen sieht das Gesetz vor, wo fehlen jene und zu welchen Themen und Sachverhalten liegen Rechtsprechungen vor?
Gesetzliche Regelungen von Sondervergütungen
Im Schweizer Obligationenrecht unter Art. 322 a–d sind «Sondervergütungen», die vereinbart wurden, geregelt. Neben dem Anteil am Geschäftsergebnis verweisen diese Artikel auf die Regelungen von Provisionen und Gratifikationen.
Anteil am Geschäftsergebnis
Die Grundidee einer Auszahlung eines Anteils am Geschäftsergebnis ist ein (prozentualer) Anteil an einer beliebigen vordefinierten Kennzahl. Die Parameter der Auszahlung werden vertraglich geregelt, und die berechtigte Person hat das Recht, auf Verlangen hin Einsicht in die Erfolgsrechnung zu nehmen.
Provision
Unter einer vertraglichen Vereinbarung einer Provision ist die (prozentuale) Entschädigung bei Abschluss eines bestimmten Geschäfts zu verstehen. Auch hier werden die Parameter der Auszahlung vertraglich geregelt und der berechtigten Person offengelegt.
Gratifikation
Von einer Gratifikation ist die Rede, wenn die Arbeitgebenden zu einem bestimmten Anlass zusätzlich zum Lohn eine freiwillige Sonderzahlung an die Arbeitnehmenden ausrichten.
Wo liegt der Unterschied?
Der Unterschied zwischen all diesen Begriffen liegt im Ermessensspielraum der Arbeitgebenden. Beim Lohn, bei der Provision oder beim Anteil am Geschäftsergebnis liegt den Arbeitgebenden quasi kein Ermessensspielraum vor, da diese Vergütungen üblicherweise vertraglich geregelt werden. Diese stehen somit im Zusammenhang mit gewissen Leistungen (wie z. B. die Provision mit einem Abschluss eines bestimmten Geschäfts).
Bei einer echten Gratifikation hingegen haben die Arbeitgebenden Freiheiten bei der Ausgestaltung. Sie können über die Höhe, den Grund der Auszahlung und den Zeitpunkt frei bestimmen. Zudem haben sie die Möglichkeit, die Auszahlung aufgrund von Krankheiten oder gekündigtem Arbeitsverhältnis zu kürzen oder sogar zu verweigern.
Eine Gratifikation erfolgt freiwillig, wenn keine Vereinbarungen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden irgendwelcher Art festgelegt wurden. Eine Vergütung, bei welcher im Voraus ein festgesetzter und fest vereinbarter Betrag geregelt wurde, stellt keine echte Gratifikation dar. Die Rechtsprechung verwendet zudem noch ein weiteres Kriterium zur Beurteilung, ob es sich um Lohn oder Gratifikation handelt – die sogenannte Akzessorietät. Als akzessorisch wird eine Gratifikation beurteilt, wenn deren Höhe als zweitrangig beurteilt wird. Sprich, der Lohn ist um ein Vielfaches höher als die ausbezahlte Gratifikation.
Der 13. Monatslohn ist keine Gratifikation
Die aufgeführten Erläuterungen zeigen, dass der 13. Monatslohn keine eigentliche Sondervergütung sein kann, sondern aufgrund seiner vertraglichen Regelung einen Lohnbestandteil darstellt.
ACHTUNG
Zudem besteht bei Lohnbestandteilen insbesondere beim 13. Monatslohn bei Austritt ein Anspruch auf anteilsmässige Auszahlung.
Der oft verwendete Bonus
Weder die Definition noch die Handhabung eines Bonus sind im Gesetz geregelt, auch wenn dieser in der Praxis oft vorkommt. Das kommt daher, dass für Bezeichnungen von Vergütungen keine Grenzen gesetzt sind. Bei der Umsetzung sind die gesetzlichen Vorschriften jedoch zwingend einzuhalten. Das heisst, es ist zu beurteilen, ob es sich bei der Vergütung entweder um Lohn oder Gratifikation handelt.
HINWEIS
Wird eine Bonuszahlung in Abhängigkeit von einer Zielerreichung und einer bestimmten Höhe vereinbart, handelt es sich um Lohn. Der Bonus stellt in diesem Fall einen Leistungslohn dar. Erfolgt die Bonuszahlung aufgrund eines Dienstjubiläums ohne Vereinbarungen, stellt dieser eine Gratifikation dar.
Vereinbarungen und konkludentes Verhalten bei Gratifikationen
Werden Gratifikationen vereinbart, besteht die Möglichkeit, Regelungen festzulegen. Dies kann zum Beispiel die Vereinbarung der Freiwilligkeit sein. Mit diesem Vorbehalt kann das Freiwilligkeitsverbot in einem Streitfall nicht angewendet werden. Sowie auch der Ausschluss eines Anspruchs pro rata temporis oder die Verweigerung der Auszahlung per Jahresende, wenn der Arbeitnehmende bereits in einem gekündigten Arbeitsverhältnis ist.
ACHTUNG
Ein vertraglicher Vorbehalt kann formfrei oder durch konkludentes Verhalten wieder aufgehoben werden. Das heisst, wenn sich die Parteien über die vereinbarte Form hinwegsetzen und sich ihr Wille, auf die Einhaltung der Schriftform zu verzichten, klar aus den Umständen ergibt. Insbesondere dann, wenn die entsprechend angepassten Leistungen vorbehaltslos erbracht und entgegengenommen werden. Dies ist gemäss Rechtsprechung dann der Fall, wenn eine Gratifikation nach dreimaliger, ununterbrochener und vorbehaltsloser Auszahlung erfolgt. Aufgrund dieses Verhaltens besteht ein Rechtsanspruch auf diese Vergütung.
Der Klassiker
Arbeitgebende zahlen ihren Arbeitnehmenden bei positivem Geschäftsergebnis eine Erfolgsbeteiligung aus. Die Erfolgsbeteiligung ist weder im Reglement noch in den jeweiligen Arbeitsverträgen vereinbart. Die Auszahlung erfolgt jeweils ohne Vorbehalt und bereits ununterbrochen und seit mehr als fünf Jahren.
In diesem konkreten Fall handelt es sich nicht um einen Anteil am Geschäftsergebnis, wie das Gesetz dies in Art. 322a OR vorsieht, sondern um eine Gratifikation. Die Arbeitnehmenden haben weder Einsicht in die Geschäftsbücher, noch wurde ihnen die Berechnung der ausbezahlten Erfolgsbeteiligung offengelegt. Auch die willkürliche Benennung von Erfolgsbeteiligung weist nicht automatisch auf einen Anteil am Geschäftsergebnis hin, wie es gesetzlich geregelt ist.
Bei diesem Beispiel kann es in einem Streifall sein, dass das sogenannte Freiwilligkeitsverbot angewendet wird und die Zahlung vorbehaltslos auch im nachfolgenden Jahr geschuldet ist. Ausschlaggend für diese Beurteilung sind die nachfolgenden Tatbestände: vorbehaltslose Auszahlung und Entgegennahme sowie die Auszahlung während mindestens dreier aufeinanderfolgender Jahre. Bei diesem Sachverhalt würde auch eine schriftliche Vereinbarung den Rechtsanspruch aufheben, da durch das konkludente Verhalten in den Vorjahren die schriftliche Regelung aufgehoben wurde.
Um einen Rechtsanspruch dieses Dankeschöns zu verhindern, wäre bei jeder Ausrichtung der Zusatz «ohne Anerkennung einer Rechtspflicht für die Zukunft» notwendig. Weiter wäre eine Auszahlung mit Pausen, sprich nicht ununterbrochen, von Vorteil. Mit diesem Vorgehen ist die Unterbrochenheit gegeben, und auch der Wille der Arbeitgebenden wäre klar ersichtlich. Aber auch hier darf die Regelung der mehr als dreimaligen aufeinanderfolgenden Auszahlung nicht ausser Acht gelassen werden.
Fazit
Was waren die Grundidee und der Ursprung dieser Sondervergütung? Dies ist bei dieser Beurteilung die zentrale Frage. Bonus, Gratifikation oder Anteil am Geschäftsergebnis, egal, wie die Vergütung bezeichnet wird, massgebend für die Umsetzung sind nicht die einzelnen Kriterien, sondern die Betrachtung der Vereinbarung als Ganzes. Mit der Berücksichtigung und dem Bewusstsein der im Artikel erwähnten Punkte wird ein über mehrere Jahre hinweg ausbezahltes Dankeschön an die treuen Arbeitnehmenden im Streitfall nicht zum Rechtsanspruch und führt dadurch nicht zu unangenehmen finanziellen Folgen von Arbeitgebenden.